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leerer raum / 2011- / zurück

zuerst muß dein leben ruhig werden, frei von jeder sorge und friedlich mit allen. dann gehe in deine zelle, schließe dich ein, und setze dich in einen winkel...
nikephoros vom berg athos, um 1300 n. chr.

 

gedanken + zitate zum leeren raum.

das nichts des himmels heißt leere, das nichts der gebirge höhle, das nichts des menschen zurückgezogenheit, leerstehendes zimmer seiner behausung oder seines herzens.
roger caillois (1913-1978)

ziel des konzeptes leerer raum ist eine rückkehr zum raum als solchem. zu seinen ursprüngen, der raum als hülle, als schutzhütte, höhle...

die aus geflochtenen ästen hergestellten und mit laub bedeckten hütten der bulgarischen bauern die r. de dreux ende des 17. jahrhunderts außerhalb von serres sah, können sich kaum von denen unterschieden haben, die tausend jahre zuvor dort standen. noch einfacher waren die schuppen, in denen im 19. jahrhundert rumänische bauern wohnten - (...) sie bestehen aus in die erde gegrabenen löchern, über die ein verstrebtes dach geworfen wurde - selten mit stroh gedeckt, meistens mit torf.
aus mark mazower, der balkan, 2000

in unserer welt gibt es immer weniger alte dinge und orte. bald werden wir die erinnerung daran verlieren, woher wir kommen, und werden um nichts in der welt glauben wollen, dass unsere körper vor gar nicht langer zeit denselben geruch ausströmten wie die der rumänischen hirten.
aus andrzej stasiuk, fado - reiseskizzen, 2006

in zeiten des immer höher, schneller & weiter, bedeutet der leere raum ein innehalten, ein lauschen in die stille. in zeiten, in denen wir nur noch mit digitalen facebook-freunden verkehren, angefüllt mit hektischen blicken auf smartphones, pausenlosem querlesen, hin und her schieben von apps und emails, zeiten in denen wir uns von fast-food, coffeee-to-go und nahrungsmitteln ernähren, die vollgestopft sind mit pestiziden und antibiotika. zeiten, in denen uns suggeriert wird, dass wir keine zeit mehr für nichts haben, obwohl uns dies krank macht. zeiten in denen man als mensch nichts wert ist, sobald man nicht unmengen mehr besitzt als die anderen um einen herum, nicht alles teurer und namhafter ist als beim nachbarn, zeiten in denen man kein erfolgsmensch ist, wenn man nicht in steter bewegung begriffen ist, nicht ständig "im business", online, permanent global - im zug, im auto, im bett, im wald... nonstop on.

der leere raum soll ein bewußter rückschritt sein.

nirgends wird welt sein als innen.
rainer maria rilke (1875-1926)

der leere raum ist nicht zum vorzeigen gedacht, enthält im wortwörtlichen sinne nichts zum vorzeigen. er ist gedacht für die innere welt, nicht für die schnelllebige, oberflächliche, äussere. auch soll der leere raum keine art pausenraum sein, nicht dazu dienen nach einem ärgerlichen tag für eine viertel stunde eine nette atmosphäre zu bieten. der leere raum soll vielmehr ein neuer entwurf für räume sein in denen wir aufmerksamer wohnen - bewußter essen, trinken, denken, träumen, lesen, sprechen, schlafen. räume in denen wir uns bewußt bewegen und bemerken, dass laut, bunt und schnell nicht alles ist, dass geist, körper und umraum im gleichgewicht sein müssen, dauherhaft, ernsthaft, authentisch.

einfach leben. die essenz offen legen. was ist ein raum? was kann ein raum sein?

ich träume manchmal von einem größeren haus, gebaut in einem gesegneteren zeitalter, von vielen menschen bewohnt, aus dauerhaftem material und ohne jeden abgeschmackten zierrat, das nur aus einem einzigen raum besteht; einer riesigen halle, streng in der form, massiv und primitiv, ohne decke, ohne verputz, in der die nackten sparren und streben etwas wie einen niederen himmel bilden, der schnee und regen abhält; wo einfache pfosten feierlich den einlaß gewähren (...); einem haus mit dem aussehen einer höhle, in dem man eine fackel hochhalten muß, um das dachgewölbe zu sehen; in dem die bewohner um den kamin herum, in den fensternischen, zum teil an der einen wand, zum teil an der anderen, und sogar mit den spinnen oben im dachstuhl wohnen können, wenn sie lust dazu haben; einem haus, in das man hieneingelangt, indem man einfach die eingangstür öffnet und alles zeremoniell ist damit abgetan; (...) ich träume von einem obdach, wie man es in sturm und nacht gern betreten würde, das alles wichtige für ein haus, doch nichts für haus-haltung enthält; in dem man alle schätze mit einem blick übersehen kann, in dem alles an seinem richtigen haken hängt; (...) ich stelle mir ein haus vor, dessen inneres so übersichtlich und offen ist wie das nest eines vogels, das man nicht von vorne betreten und hinten verlassen kann, ohne einigen seiner bewohner zu begegnen.
henry david thoreau (1817-1862)

der um-/rückbau zum leeren raum erfolgt als wahrhaft barbarisch-archaischer akt - soll nicht als kompliziert-verkopfte akademische tat verstanden werden. vielmehr bloße handarbeit, handwerk - eine vereinfachung im besten, eigentlichen sinne. geschaffen wird ein bewußt armer raum.

belaste dich nicht mit viel gepäck. nichts von dem, was wir haben, ist notwendig. kehren wir zurück zum gesetz der natur, und unser reichtum liegt bereit. was wir notwendig haben, ist umsonst oder wohlfeil. brot und wasser verlangt die natur. daran ist niemand arm.
lucius annaeus seneca (1-65 n chr.)

teure oder nahmhafte materialen werden nicht um ihrer selbst willen verbaut oder gestellt, alles bleibt zweckmässig, funktional. auf mode, zeitgeist oder design als solchem wird keine rücksicht genommen. es werden keine unnötigen ausgaben für äußerlichkeiten getätigt. nichts wird versteckt, alles bleibt sichtbar, spröde vielleicht aber zugänglich, ehrlich. im vordergrund stehen robuste, einfachste möbel und einbauten nach bedarf, dinge die ihren ureigenen zweck erfüllen, nicht mehr, nicht weniger.

zen-klöster waren nichts anderes als wohn- und studierraum der mönche. im tempel wohnten, praktizierten und arbeiteten sie. sie suchten den sinn ihres seins im selbst, also keine ablenkung durch äußerlichkeiten. die tempel des zen sind heiligtümer einer eigenen art. ihre räume sind einfach und nüchtern, selbst die haupthalle ist fast schmucklos und zeigt nicht die übliche überladenheit anderer buddhistischer heiligtümer... dieser geist des zen - einfach, nüchtern, aber tief.
aus einer beschreibung japanischer klöster

genügsamkeit und schlichtheit durchzieht alles. überflüssiges wird aussortiert.

die zelle ist eremitisch: ein bett, ein tisch, ein ofen, ein fenster zum garten, das andere hinaus auf die schwarze kette der berge. nebenan eine winzige hauskapelle mit altar, man könnte eine messe lesen. jenseits des flurs, waschbecken und toilette, werkzeug und hoch aufgestapeltes holz. alles sauber, gut besorgt. mehr braucht man nicht. weiße wände, holzfußboden...
aus der beschreibung einer zelle der kamaldulenser-mönche

der leere raum ist ein rückzugsort, ein ort der ruhe und schlichtheit - fern von falschem
komfort, suggestiv verwendeten namen, marken, unnützen dingen.

der leere raum ist die essenz des raumes, des wohnens - lebensraum - raum zum leben - manifest für das einfache, stille - das ursprüngliche, archaische, das in jedem von uns steckt und die meisten bereits vergessen haben.

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